Stadt und Dorf in einem

Neukölln

 

Neukölln – das ist so eine ganz andere Welt als z.B. Pankow. Aber das ist Berlin: Auch außerhalb der Gärten der Welt hat es so viele, so verschiedene Welten, dass einem kleinen Raben schon mal die Federn ausfallen könnten.

 

 

 

 

Die Neuköllner Hauptstraße ist eher eine Steigerung zur Wollankstraße im Wedding: übervoll, lebendig, international, gegensätzlich. Autos, Busse und andere Fahrzeuge stehen in einem so dicken Stau, dass ihr schneller gelaufen seid (ich habe es mit eigenen Augen verfolgt). Geschäft reiht sich an Geschäft, große, kleine, meist einfache. Alte Gebäude stehen neben neuen einfachen Häusern.

 

 

 

 

Der Tipp meines Buches passte auf jeden Fall zu dazu: Mir wurde empfohlen, mich auf das oberste Deck des Parkhauses vom Einkaufscenter zu begeben und einen der wenigen Blicke über die ganze große deutsche Hauptstadt zu genießen. Klar brauche ich kein oberstes Parkdeck für die Vogelperspektive. Aber mich hat es doch sehr interessiert, was für euch Menschen ein besonderer „Ausblick über die Stadt“ ist. Für das richtige Menschenfeeling quetschte ich mich unter den erstaunten Blicken euresgleichen in einen Fahrstuhl und klickte mit meinem Schnabel auf die oberste Taste. Offensichtlich am Ende des Schachtes angekommen, stellte ich fest: Da ist noch ein Stockwerk obendrüber, das wohl nur über eine Treppe zu erreichen ist. Doch wo zum Kuckuck ist die bloß? Eine endlose Suche. Ich war nahe dran, doch zu fliegen. Endlich fand ich sie, tappte hinein und nachdem die Tür zugefallen war, bemerkte ich, dass es das Fluchttreppenhaus war. Wisst ihr, was das heißt? Na? Von innen lässt sich nur die Tür öffnen, die ins Freie führt – sprich: Die unterste! Also schlitterte ich alle gefühlten 65 Stockwerke auf dem Treppengeländer hinunter und begann den mühevollen Aufstieg aufs Neue. Ob sich die Odyssee nun gelohnt hat, überlasse ich deinem werten Urteil.

 

 

 

 

Verlässt du die pulsierende Neuköllner Hauptstraße, gerätst sofort in ruhigere Flugbahnen. Und mittendrin im urbanen Häusermeer findest du plötzlich grüne Inseln der Ruhe.

 

 

 

 

Der Comeniusgarten westlich der Hauptstraße ist auch so eine Ruheinsel, die einen völlig vergessen lässt, dass man in der größten Stadt Deutschlands ist. Das geht schon mit dem Weg dorthin los. Die Straßen werden enger und bekommen Kopfsteinpflaster. Kleine einfache Häuser aus alten Zeiten, die fast wie kleine Höfe anmuten. Liebevoll gepflegte Gärten oder Höfe mit Blumen und Obstbäumen dazwischen. Wäre mir ein Traktor entgegen gekommen – ich hätte mich nicht gewundert. Und mittendrin der Comeniusgarten, übrigens mit richtigem Zaun und Gartentor, das man sich selbst mittels eines Klingelknopfes öffnen muss. Ah, der richtige Ort für eine Pause! Müde setzte ich mich auf das lange Gras neben dem Weg. „Halt! Komm da sofort runter, du machst alles kaputt!“ Der meinte mich! Dieser leicht gerupfte ältere Mann kam tatsächlich direkt auf mich zu. Ich muss wohl etwas tölpelhaft geguckt haben, denn er schüttete noch mehr Worte über mich aus: „ Die Wiese, die braucht 30 Jahre. Du machst doch Strukturen kaputt, wenn du dich da drauf setzt. Das Gras, der Boden, ist doch jetzt alles zerstört. Und 30 Jahre braucht die Wiese zum Regenerieren. Das dauert ewig.“ Ehe ich im Wortschwall ertrank, flog ich in die nächste Astgabel und machte meine Pause da.

 

 

So, endlich Ruhe.
So, endlich Ruhe.

Schließlich war ich wieder so weit bei Kräften, dass ich weiter wollte. Neukölln mit seinen spannenden Gegensätzen ließ ich erst einmal hinter mir und ich stürzte mich in weitere Wirklichkeiten, die Berlin noch so für mich bereithielt.


Infos:

 

Es ist immer gut, einen Plan zu haben.

 

In Berlin war ich im Mai 2013.