...das Volk hat Freude (Montesquieu)

Die Kambodschaner

 

Mit einem kleinen achteckigen Gläschen Tigerbalsam hocke ich zu Hause in meinem Fernwehsessel. Es zieht ein wenig und in meinem Nest raschelt das Heu, denn es ist windig heute. Immer wieder schraube ich den Deckel auf, schnuppere wohlig am Inhalt des Tiegels und denke an Phally (sprich: Pal-Li). Erst in den letzten Reisetagen habe ich meinen Lieblingskambodschaner kennengelernt. Den Tigerbalsam im Gläschen zwischen meinen Krallen hat er mir geschenkt - an dem Tag, als ich mir den Magen verdorben hatte und mich in voller Fahrt über den Rand des Longtail-Bootes erbrechen musste. Ich solle mir das auf den Bauch schmieren, hat er gesagt. Es brannte ziemlich und mein Flokati verklebte so dermaßen, dass er wie ein gegeltes Hundefell aussah. Aber der Tigerbalsam half. Glaube ich zumindest, denn am nächsten Tag war ich wieder fit wie ein Laufvogel. Ich muss lächeln, wenn ich an Phally denke. So viel gelernt habe ich von ihm über die Khmer und ihr Land. So ein kultivierter Mensch ist er, so humorvoll und Deutsch kann er besser sprechen als mancher meiner heimischen Mitmenschen. Ein paar Tage sind wir zusammen gereist und ich fand sie hummelstark.

 

 

Phally mit einem Eis
Phally mit einem Eis

 

 

Denkt jetzt bloß nicht, dass alle anderen Kambodschaner doof sind, liebe Leser! Das ist nämlich absolut falsch! Möwenmäßig Spaß hatte ich mit ihnen – immer und immer wieder. Einmal, da tollte ich mit einer ganzen Horde Jungs am Mekong-Strand herum. Ich tat, als wollte ich sie fressen und jagte sie umher. Immer wieder hielten sie mir ihre weit ausgestreckten sandigen Hände entgegen und wenn ich danach schnappte, flitzten sie davon. Das alte Spiel halt. Wir tobten so lange, bis die ersten von ihnen müde wurden und daraufhin begannen sie, Algen aus dem irre breiten Mekong-Strom zu fischen und sie sich mehr oder weniger dekorativ ins Gesicht zu hängen. Ich habe Fotos gemacht, wir haben sie uns gemeinsam angeschaut und uns rund… nein, äh, kringelig gelacht.

 

 

Am Ende fuhren sie allein mit einem motorisierten Boot davon. Ich war überrascht, war doch der Älteste von ihnen etwa 13.
Am Ende fuhren sie allein mit einem motorisierten Boot davon. Ich war überrascht, war doch der Älteste von ihnen etwa 13.

 

 

Gerne denke ich auch an den Kindertrupp zurück, mit dem ich gelernt habe, in der Khmer-Sprache bis zehn zu zählen (s. Einleitung). Oder an die drei kleinen Mädchen, die mir bestimmt einen Kilometer lang auf einem Pfad durch den Dschungel gefolgt sind. Natürlich haben wir die Strecke spielenderweise zurückgelegt, indem ich immer wieder nach ihnen schnappte und sie mich jagten.

 

 

 

 

Auf dem Markt, das war auch immer toll! Weil die Marktfrauen so freundlich und gut gelaunt waren. Sie haben viel gelacht, immer wieder mit mir gespielt und mir ihre Kleinkinder entgegen gehalten, damit ich Fotos machen kann. An einem Tag, das war in Kampot, da saß eine Frau in der Hängematte und blätterte in einem dicken Buch. Ich grüßte sie freundlich und sie freute sich so, dass sie mir gleich mit stolzgeschwellter Brust den stattlichen Wälzer vor den Schnabel hielt. Es war ein Fotoalbum, voll mit Bildern von der Hochzeit ihrer Tochter. War das eine Pracht und ein Prunk! Die Braut hat mindestens drei verschiedene Kleider angehabt, alle aus hochglänzenden Stoffen in fröhlichen Farben. Es waren unglaublich viele Gäste da und die trugen allesamt so viel Schmuck, dass selbst die fleißigste Elster es nicht geschafft hätte, ihn während des Festes komplett einzusammeln. Es sah aus wie aus 1001 Nacht. Genauso viele Fotos gab es und ich schaute sie mir alle an – zwischen der Auslage von frischem Gemüse und ganzen Fischen. Die Frau sprach kein Englisch und so konnte ich meiner Begeisterung nur durch den Tonfall Ausdruck verleihen. Worte waren hier unwichtig, der Ton machte die Musik. Lustig, ich hätte sonst etwas sagen können –auch was ganz Gemeines-, sie hätte es nicht gemerkt, da sie ausschließlich auf den Tonfall hören musste. Ich habe aber nichts Böses gesagt. Im Gegenteil: Ich habe mich ehrlich gefreut und fand die Frau in ihrem Stolz sehr rührend.

 

 

 

 

Wie oft bekam ich hier in Kambodscha eine freudige Antwort, wenn ich die Menschen im Vorbeiflattern freundlich grüßte. Viele wunken… äh, winkten?... zurück oder erwiderten den Gruß. Manchmal spielte ich ein bisschen „Berühmter Star“ und verbeugte mich daraufhin.

So freundlich und offen wie die Kambodschaner sind, so unaufdringlich sind sie. Klar gab es in den wenigen Touristenorten vor den Lokalen immer eine Person, deren Job ich als „Reinholer“ bezeichne. Schaute ich mir also eine Speisekarte genauer an, kam eben dieser Khmer auf mich zu und erläuterte mir kurz das Angebot. Danach konnte ich aber in Ruhe das Schriftstück weiter studieren. Ich wurde nicht gedrängt und in keinster Weise vollgekrä… gequatscht. Wenn ich am Ende freundlich ablehnte, war die Sache damit beendet. Genauso verhielt es sich mit den unzähligen TukTuk-Fahrern. Die Menschen boten mir ihre Dienstleistung einfach nur an, machten auf sie aufmerksam. Und das ist ihr gutes Recht.

 

 

 

 

Ich denke oft an die Menschen in Kambodscha zurück, nicht nur an Phally, sondern auch an all die anderen. Wir hatten viel Spaß zusammen und waren für ganz kurze Zeit Freunde. So offen und gut gelaunt sind nur ganz wenige Völker und deshalb denke ich nicht nur oft, sondern auch äußerst gerne an die Menschen zurück, die ich auf meiner Kambodscha-Reise getroffen habe.

 

 


Infos:

Ich habe viel mehr Einzelaufnahmen/Porträts von Kambodschanern gemacht - ihr habt es euch gedacht. Um die Persönlichkeitsrechte dieser Menschen nicht zu verletzen, habe ich allerdings schweren Rabenherzleins darauf verzichtet, sie hier zu veröffentlichen.

 

In Kambodscha war ich zum Jahreswechsel 2015/16.