"Na sowas, das soll die gleiche Kirche sein?" Hocherstaunt flattere ich hin und her. Immer wieder muss ich schauen. Aber es ist wirklich so: Ich bin und bleibe in der gleichen Kirche und doch sieht sie so unterschiedlich aus, je nachdem, wo ich gerade bin. Okay, zugegeben: Es ist eine Doppelkirche, also ein Gebäude mit einem Eingangsbereich in der Mitte und jeweils einem großen Kirchenraum rechts und links. Beide sind zutiefst romanisch. Beide sind in sich stimmig und harmonisch konstruiert und deshalb wunderschön. Aber nun hören ihre Gemeinsamkeiten auf. Die eine ist schwer und wuchtig, leicht und luftig die andere, ja geradezu beschwingt. Jede hat ihre ganz eigene, sehr dichte Atmosphäre, die sich völlig von der anderen unterscheidet. Das Wandeln zwischen den beiden ist das reinste Wechselbad. Und so flattere ich weiter hin und her, begeistert und erstaunt zugleich über ihre Schönheit und Verschiedenartigkeit.
Bursfelde ist aber nicht nur ein Ziel für Kirchenliebhaber. Auch für die Naturfreunde unter euch hat das Örtchen etwas im Angebot: Einen hochidyllischen Spaziergang im Niemetal. Das Kloster liegt an der Mündung der Nieme in die noch gaaaaaanz junge Weser. Außerdem ist es eine Station des Pilgerweges Loccum-Volkenroda. Ihr müsst nur dem Wanderzeichen vom Pilgerweg in das kleine Seitentälchen folgen und schon seid ihr mitten in der Natur. Ich war dort Mitte Mai und die Idylle ist eine Wucht. Wenn es sich nicht geradezu widersprechen würde, würde ich sagen: Die Idylle schlägt Einem geradezu entgegen. Ich hörte beruhigendes Bachrauschen. Ich hörte vehementes Vogelzwitschern. Ich hörte den Wind in den Baumwipfeln. Sonst nichts. Das Tälchen ist wirklich bar jeglichen Zifi... Ziliv... Zivilisationslärms. Die Handvoll Autos, die dort entlang fährt, hört man nur gaaaaaaanz kurz, weil das Tal so kurvig ist. Und schon hat die Natur wieder die akustische Oberhand: Bachrauschen, Vogelzwitschern, Wind. Bachrauschen, Vogelzwitschern, Wind. Bachrauschen...
"Der Wanderpfad lässt sich soooo toll laufen", haben mir ein paar Pilger vorgeschwärmt. Er ist weich wie ein gut gepolstertes Nest, schmal und extra für Fußgänger angelegt. "Man fühlt sich richtig willkommen", haben sie erzählt. "Weil es eben kein Fahr- oder Wirtschaftsweg ist, den es sowieso gibt. Dieser Weg ist nur für Fußgänger gemacht. Und so ist er auch." Außerdem haben die Pilger mir von ihrer Übernachtung auf dem Campingplatz am oberen Ende des Tälchens erzählt. Er ist kuschlig klein und wird sehr liebevoll geführt. Noch dazu liegt er genauso idyllisch wie der Wanderpfad – im Talgrund direkt am Bach. "Aber deshalb darf man -zumindest so früh in der Saison- nicht kälteempfindlich sein", berichteten sie weiter. "Heute um Mitternacht hatten wir 2°C – Mitte Mai!" Ha, DESHALB war mir trotz Aufplustern meines Flokatis heute Nacht so kalt! Ich habe nämlich auf einem Baum im Niemetal geschlafen. Eigentlich wollte ich gestern noch weiterreisen, aber ich konnte die Idylle einfach noch nicht verlassen. Naja, dann ist der Campingplatz aber in einer Sommerhitze wohl absolut perfekt. Die Pilger haben soooo begeistert von ihm erzählt, dass ich beschloss, meine Mittagspause dort zu machen. Und tatsächlich: Obwohl ich nur für eine Rast hielt, wurde ich äußerst warmherzig von Will und Irma begrüßt und umsorgt.
Also, ihr seht: Es lohnt sich auf jeden Fall, einen Stopp in Bursfelde zu machen, die Kirche anzuschauen und das Niemetal zu besuchen. Am besten verbindet ihr das mit einem Besuch in der prachtvollen Stadt Hann. Münden, denn Bursfelde liegt quasi vor ihren Toren.
Infos:
Wenn euch der Campingplatz von Will und Irma auch so gereizt hat wie mich...
Was war das gleich für ein Pilgerpfad?
Im Weserbergland war ich im Mai 2020.