Schnee verändert die Welt. Naja zugegeben, vielleicht nicht die ganze Welt, aber zumindest das Aussehen der Gegend, in der er liegt. Kahle, dürre Bäume werden filigran und anmutig. Harmloser Nadelwald mutet märchenhaft an. Raue Felsen werden wattige Kugeln. Langweilig graue Berge werden beeindruckende Eisriesen.
Am faszinierendsten finde ich, wie Schnee die Farben verändert.
Schnee stiehlt die Farben. Das Blau, Braun und Grün der Natur vergräbt er unter seinem Weiß. Dunkle Farben sind kaum voneinander zu unterscheiden, sehen fast gleich aus gegen seinen hellen Kontrast. Das Rot der Hauswände wird von verwehtem Schnee abgedämpft. Bunte Verkehrszeichen lässt er nur noch erahnen. Tiefdunkle Seen deckt er mit Weiß zu.
Dafür kennt der Schnee 34 247 Tönungen von Grau: Hellgrau, dunkelgrau, mittelgrau, dunkles Mittelgrau, mittelhelles Dunkelgrau, fast weißes Grau, mittelhelles Blaugrau, hellblaues Mittelgrau, dunkles Grü... naja. Jeder Baum, jeder Steinknubbel, jede Delle im Schnee – sie alle bekommen eigenen Grauton.
Grau in grau – klingt erst mal trostlos und nach Depression. Aber wenn der Schnee seine Finger im Spiel hat, bekommt der Ausdruck ein ganz neues Gesicht. Faszination schwingt mit – über die unfassbar vielen Nuancen. Spannung und Fantasie auch – welchen Grauton entdecke ich noch und wie nenne ich ihn? Und nicht zuletzt Entspannung – Schnee schenkt meinem schweifenden Blick eine Aussicht in beruhigenden Graustufen.
Strukturen, Muster, ja geradezu grafische Wesenszüge des Schauplatzes betont der Schnee am allerliebsten: Geschwungene Äste der Nadelbäume, schnurgerade Wandbretter, die winzigen Zweige der kahlen Birken, eine gleichmäßige Spur von Fußstapfen, die Fahrlinien der Motorschlitten. Mit Hilfe des Schnees treten sie viiiiiiel deutlicher hervor.
Bei klarem Wetter trinkt der Schnee das Sonnenlicht. Er saugt es auf und gibt es farbig glitzernd wieder. Im rosa Morgenschein...
Ääääh... Moment - weißt du, was mir gerade noch auffällt? Wenn ich mir so zuhöre, glaube ich, Schnee verändert auch kleine Reiseraben. Ich finde, sie werden ein bisschen pathetisch.
Infos:
In Schweden war ich zum Jahreswechsel 2021/22.