Beim Gullfoss
Beim Gullfoss

Lavaströme? Touristenströme!

Tourismus

 

Wer schon mal in Island war, der weiß: Dort gibt es wenig Bäume. Das war echt ein Nachteil für mich, denn wo soll ein kleiner Reiserabe schlafen, wenn nicht auf Bäumen? Ich tat das, was ich immer tue, wenn es für mich als Vogel schwierig wird: Ich passte mich den Menschen an und sprach in B&Bs, Pensionen, kleinen Landhotels und Sommerhäusern auf den Campingplätzen vor. In Island sind die Möglichkeiten sehr vielfältig.

 

 

 

 

Aber das war gar nicht so einfach wie es klingt. Die waren alle voll! Nicht mal eine stille Ecke im Wäscheraum (da kann ich toll Nester bauen) oder in der Putzkammer war für mich frei. Sowas! Wie kommt das bloß? Villi klärte mich nach seiner Vulkanshow auf und gab mir einen Überblick über die Zahl der Islandurlauber in den letzten Jahren vor meinem Aufenthalt.

 

                             2011: 50 000

                             2012: 700 000

                             2013: 800 000

                             2014: 1 Mio. (geschätzt)

 

Klar, Villi ist bezüglich der Touristikzahlen kein Profi, aber an der Tendenz ist bestimmt was dran. Kein Wunder, dass die touristische Infrastruktur überlastet ist. Auf einen solchen plötzlichen Ansturm ist das Land einfach nicht vorbereitet. Wie auch – in so kurzer Zeit? Dabei geben die Isländer ihr Bestes, habe ich den Eindruck: Zum Beispiel ist die Ringstraße nun komplett asphaltiert (nur noch 20 km oder so fehlen).

 

 

Auflauf am Strokkur
Auflauf am Strokkur

 

 

So leer wie diese Insel in riesig weiten Teilen ist, so voll ist sie deshalb an den touristischen Anziehungspunkten. Lustig, Reisende müssen doch auch vom Gletscher zum Vulkankrater und von da zum Hochland kommen. Folglich müssten sie sich –zumindest zeitweise- doch auch zwischen den Attraktionen befinden. Aber da ist niemand. Menschenleer, autoleer, busleer. Dafür ballen sie sich am Gletscher umso mehr. Aus der Luft konnte ich das echt gut sehen.

Und eben in den Übernachtungsmöglichkeiten, da sind sie auch. Mein Tipp für euch: Momentan rate ich euch zum einen vorzubuchen. Wenn du dich nicht vorher festlegen willst, dann könntest du zum anderen ein geländegängiges Wohnmobil mieten. Ich habe öfter Pick-ups mit einem Wohnaufsatz gesehen. Dann kannst du an Campingplätzen unterkommen (die haben immer Platz) und hast ein festes Dach über dem Kopf. Das ist wettermäßig schon empfehlenswert.

 

 

Parade am Gullfoss
Parade am Gullfoss

 

 

Auch als kleiner Reiserabe macht man sich so seine Gedanken und ich weiß nicht so richtig, ob ich diesen Reiseboom gut oder schlecht finden soll. Sicher tut der Tourismus der Wirtschaft des Landes gut und viele Isländer können das nach der Fier… Finanzkrise vielleicht gut gebrauchen, auch wenn sich nie jemand über Armut beklagt hat. Aber speziell im Umweltbereich gibt es echt Probleme. An den Naturschauspielen werden die Massen kaum gelenkt. Sie laufen überall herum und treten dabei Manches kaputt. Speziell die Pflanzen erholen sich durch die kurze Vegetationszeit nur sehr langsam. Ich habe versucht, soviel es geht zu fliegen oder mich bei netten Reisenden auf die Schulter zu setzen – oder in die Tasche. Nur zwei Orte mit Maßnahmen zur Lenkung der Urlauber fallen mir ein: Dimmuborgir und diese noch rauchende Spalte gleich bei der Krafla, die mit dem unaussprechlichen Namen, Lei… Leik… Leirkhu… - ach, keine Ahnung. Es wird ja nicht mal Eintritt verlangt, mit dessen Geldern die Lenkungsstrukturen aufgebaut werden könnten. An keinem einzigen Ort! Was den Reisenden vielleicht ein bisschen über die immensen Kosten in diesem Land hinwegtröstet.

 

 

An der F903
An der F903

 

 

Dafür repariert eine Lehrerin in ihren Sommerferien am Kverkfjöll die Jeepspuren, die ein paar taubendumme Fahrer neben den Hochlandpisten hinterlassen haben. Das sieht sehr lustig aus, denn der Grund muss erst geharkt und dann verfestigt werden. Das Festigen erledigt die Rangerin, indem sie darauf herumspringt. Ich habe ihr erst eine Weile zugesehen und mich dann ein bisschen mit ihr unterhalten und wir haben beschlossen, Kängurus zu importieren, ihnen känguruförmige Islandpullis zu stricken und tellergroße Füße zu züchten. Dann sind sie für ihre Mission gerüstet.

 

 

Im Hotel Djúpavík
Im Hotel Djúpavík

 

 

Aber es hat auch alles seine guten Seiten. Einen tollen, speziell isländischen Effekt des Tourismus habe ich beobachtet. In ganz, ganz vielen Restaurants, Cafés und Unterkünften habe ich mitgekriegt, dass die Kollegen miteinander englisch reden. Stani aus Deutschland, der im Hotel Djúpavík arbeitete, erklärte es mir: Weil die Saison nur zwei Monate geht und die Leute den Rest des Jahres erst einmal keine Arbeit hätten, sind touristische Jobs bei den Einwohnern unbeliebt. Deshalb kommen viele – so wie er- als Saisonarbeiter für wenige Sommerwochen nach Island. Da sie aus aller Herren Länder kommen, reden sie eben untereinander englisch und natürlich auch mit dem Arbeitgeber. Das führt so weit, dass sogar die Einheimischen ins Lokal gehen und von vornherein englisch reden mit den Bedienungen. Ist in Deutschland undenkbar. Das ist mal kosmopolitisch, was? Durch das hohe Preisniveau in Island verdienen sie aus ihrer Sicht recht gut. Und sofern sie auf dem Land arbeiten, haben sie nicht einmal die Möglichkeit, das verdiente Geld gleich wieder auszugeben. Sie können es komplett mit nach Hause nehmen.

 

Du siehst: Wie alle Dinge hat auch der Tourismus in Island seine guten und seine schlechten Seiten. Ich jedenfalls wünsche diesem schönen ruhigen Land, dass langfristig gesehen, die positiven Effekte überwiegen. Und ich wünsche den Reiser… äh, Touristen, dass es so naturnah bleibt. Und ich wünsche den Isländern, dass sie so gelassen bleiben.

So, fertig.

 


Infos:

 

In Island war ich im August 2014.