Emanuel, das Gesundheitssystem und der Angolakrieg

Das Leben eines Bauern

 

"Wenn es so bleibt, kann ich das den Rest meines Lebens aushalten. Dann brauche ich doch keine Operation." Emanuel hat Rückenschmerzen. Besonders das Reiten und Sitzen fallen ihm schwer. "Von der Feldarbeit", sagt er. Seit Jahrzehnten bewirtschaftet der Bauer seine Felder bei Viñales in mühsamer Hand- und Tierarbeit. "Vor ein paar Monaten waren die Rückenschmerzen so schlimm, dass ich mich in Havanna operieren lassen wollte", erzählt Emanuel. Also trat er die lange Reise in die 180 km entfernte Hauptstadt an. Die Ärzte in der Klinik hatten keinen Platz und keine Zeit für ihn, gerade hatte ein Zyklon viele Menschen verletzt. "Kommen Sie in drei oder vier Tagen wieder", vertöstete man ihn. Mehrere Wochen lang sprach er wieder und wieder im Krankenhaus vor. Erfolglos. Er wohnte solange bei Verwandten in Havanna. Schließlich wurden die Schmerzen besser und er zog unverrichteter Dinge nach Hause. Heute sitzt er mit mir an seinem Esstisch, hat sich mit seinen Schmerzen arrangiert und erzählt mir seine Geschichte. Und die ist spannend und noch lange nicht zu Ende.

 

 

 

 

"Ich war auch im Angolakrieg", berichtet Emanuel weiter. "Was haben die Kubaner denn mit dem Angolakrieg zu tun?", frage ich und zucke verwundert die Flügel. Er erzählt es mir. Zusammengefasst hat das Wikipedia in einem prägnanten Satz: "Außenpolitisch unterstützte Castro als Protagonist einer antiimperialistischen Weltanschauung auf marxistischer Grundlage – auch militärisch – diverse antikoloniale und nationale Befreiungsbewegungen der so genannten Dritten Welt im Unabhängigkeitskampf gegen die herrschenden Kolonialmächte.“¹

 

 

Auch Plakatwände -so wie die hier mit dem Konterfei von Fidel Castro- tragen zur Erhaltung des Sozialismus bei.
Auch Plakatwände -so wie die hier mit dem Konterfei von Fidel Castro- tragen zur Erhaltung des Sozialismus bei.

 

 

Kurz und konkret heißt das: Im April 1975 wurden auch die letzten portugiesischen Kolonien ziemlich plötzlich unabhängig. Angola war auch dabei. Weil das so unvorhergesehen geschah, kämpften verschiedene Gruppierungen um die Vorherrschaft in Angola. Eine davon war die MPLA, eine sozialistisch orientierte Gruppe, die sich anfangs schnell durchsetzen konnte. Aber bald ging es ihr an den Kragen und das war der Moment, in dem Fidel Castro mit kubanischem Militär in den Angolakrieg zog, um die sozialistischen Brüder der MPLA zu unterstützen.

 

 

Fidel Castro demonstriert eine enge Freundschaft mit Hugo Chavez, dem ehemaligen venezolanischen Staatsoberhaupt.
Fidel Castro demonstriert eine enge Freundschaft mit Hugo Chavez, dem ehemaligen venezolanischen Staatsoberhaupt.

 

 

Somit konnte die SWAPO von Angola aus operieren. Die SWAPO wiederum war damals eine ebenfalls sozialistisch orientierte Gruppe, die für die Unabhängigkeit Namibias von Südafrika kämpft. Weil alle rivalisierenden Gruppen in Angola von verschiedensten Nationen aus aller Welt unterstützt wurden, waren auch Rumänien, UdSSR, DDR, Südafrika, Zaire, USA, China, Großbritannien und Frankreich in den Angolakrieg verwickelt. Tja, so ist das halt: Wenn zwei sich kloppen und ein Freund dem anderen hilft, indem er mitkloppt, dann kommen noch ganz viele andere dazu und kloppen mit, weil sie ihren Freunden helfen wollen. Und dann kloppen sich alle und niemandem ist geholfen. Blöd eigentlich. Emanuel jedenfalls war etwa anderthalb Jahre in Angola, kam aber nie richtig zum Kämpfen. Das findet er zwar doof, aber immerhin hat er die Sache wahrscheinlich genau aus dem Grund heil überstanden, kann uns beiden nun je eine Zigarre drehen und ebendiese mit mir rauchen.

 

 

 

 

So, nun kennt ihr die Geschichte von Emanuel und habt wieder etwas typisch Kubanisches kennengelernt: Das Krankenversorgungssystem ist gut gedacht, wie z.B. die fast kostenlose Abgabe von Medikamenten gegen ein Rezept. Und ich gehe mal davon aus, dass Emanuels OP für ihn als armen Bauern erschwinglich gewesen wäre. Aber irgendwie läuft es in der Praxis dann doch nicht so optimal: Den Rollstuhl der fast 100-jährigen Großmutter Juana muss eine Bauernfamilie viele Jahre lang abbezahlen. Eine wichtige Operation kann aus Mangel an Kapazitäten an der Klinik nicht durchgeführt werden. Und nicht zuletzt: Einige Kubaner drehen sich ihre Zigarren selbst.

 

 


Infos: 

¹ = Hier steht der schlaue Satz über Fidel Castro umringt von vielen anderen schlauen Sätzen über Fidel Castro.

 

In Kuba war ich im Dezember 19.