Schön auf´m Land!

Tagesausflug bei Mespelbrunn

 

Ich muss sagen: Ich bin ein richtiger Stadtvogel. Zwischen Häusern, Kultur und Kneipen fühle ich mich raben-… äh, also… pudelwohl. Zumindest meistens ist das so. Aber manchmal habe ich das Stadtleben auch unglaublich satt. Mitsamt seinem Autolärm, diesen dummen Tauben und den albernen Plastikkrähen auf den Balkongeländern kann es mir dann einfach gestohlen bleiben. Dann muss ich raus auf´s Land. Ab in die Natur! Back to the roots! Das nächste richtige Land in meiner (Aus-)Flugnähe ist der Spessart. Da war ich mal wieder. Im Herbst und bei Sonnenschein. Ah! Ruhe! Sonnenschein! Allein sein! Futter!

 

 

 

 

Was, ihr kennt den Spessart nicht? Na, ist eigentlich kein Wunder, denn der Spessart ist ein äußerst ländliches Land – für deutsche Verhältnisse. So richtig hinter den sieben Bergen. Nein, Zwerge gibt´s keine. Nur ab und zu begegnet man Wanderern und das oft auch nur in der direkten Nähe von Zivilisation. Das ist wirklich so, ihr könnt´s mir glauben.

Mein Ausflugsziel ist meistens ein Ort (noch lieber ein Ort mit einer tierlieben Kneipe, ich gebe es zu). Wie weit ich davon noch entfernt bin, messe ich dann immer an der mich umgebenden Wandererdichte. Wenn die ersten Wanderer auftauchen, besteht der begründete Verdacht, in absehbarer Zeit anzukommen. Folgen dann kurz darauf die nächsten Fußgänger, womöglich noch mit kleinen Kindern, bin ich spätestens in einer halben Stunde da. Sind die Kinder größer oder die Wanderer zünftiger gekleidet, bin ich zumindest bald an einer Zwischenetappe angekommen wie heute an der Waldkapelle.

 

 

 

 

Prompt treffe ich bei meiner Rast hier mehrere Waldliebhaber, unter anderem auch einen Trupp, der ebenfalls kurz Pause macht. Einer von denen fragt mich doch glatt, ob ich die Fotos, die ich hier mache, ins Internet stelle. Stellt euch das vor! Sooooo berühmt bin ich schon. Die Leute sehen mich und wissen gleich, dass ich für das Internet unterwegs bin. Toll!

Ach, wisst ihr eigentlich, worauf ich Pause gemacht habe? Auf einer von ungefähr 15 (!) Bänken, die vor dem Kirchlein standen. Es sah aus, wie in einem Theater. Wozu das? Gibt´s hier wirklich Theatervorführungen? Oder halten die Kirchenleute tatsächlich mitten im Wald Gottesdienste ab und glauben, dass so viele Christenmenschen eine Messe in dieser Abgeschiedenheit (um nicht zu sagen: Am A…. der Welt) besuchen? Na ja, zum Rasten eignen sie sich jedenfalls prima.

 

 

 

 

Noch schnell auf der Karte geschaut, wo es weiter geht, und los. Eigentlich brauche ich ja gar keine Karte und Wegweiser, als Rabe fliege ich einfach nach oben und schaue auf das Land hinab. Aber ich geb´ es ja zu, ich liebe Karten und teste sie gerne auf ihre Güte. Ganz wichtig finde ich bei Karten zum Beispiel, dass sie sich gut falten lassen, sonst gibt das immer ein ganz schönes Tohuwabohu. Und wenn sie schön bunt sind, das mag ich auch.

 

 

 

 

Apropos Wegweiser: Für Bodenbewohner wie euch Menschen ist es wohl ganz schön schwierig, den Überblick zu bewahren. Deshalb stellt ihr auch überall immer gerne Wegweiser auf, selbst wenn das Ziel höchstpersönlich schon in Sicht ist. Oder seht ihr vor lauter Wald die Kapelle nicht?

Guckt mal, so schön ist der Spessart im Herbst mit dem bunten Laub und der Sonne über den Hügeln und Dörfern.

 

 

 

 

Fast hätte mich ja vor lauter Herbstidylle die Nacht überrascht, aber kurz bevor es rabenschwarz im Wald wurde, gab es noch so einen papageienroten Sonnenuntergang, dass ich dann doch auf die Zeit aufmerksam wurde.

 

 

 

 

Bevor es rabenschwarz wurde im Wald, habe ich mich nach Mespelbrunn gerettet. Da gibt´s eine echt originelle Kneipe. Nein - nicht das Wirtshaus im Spessart, sondern die Woischaiän (hochdeutsch: Weinscheune). In die hohe Scheune hat man Holzböden auf verschiedenen Ebenen eingezogen, so dass man von der oberen Ebene den Gästen auf der unteren Ebene Krümel auf den Kopf pusten kann. Die Speisekarte ist auf ein Nudelholz aufgerollt. Fand ich lustig, aber für einen Vogel schlecht zu handhaben. Ich habe mich erst einmal darin verwickelt und konnte mich gerade noch so ohne die Hilfe der Bedienung befreien. Vollgestopft ist das Gebäude – in erster Linie mit Gemälden aller Art: Guten, schlechten, auf Leinwand, auf Scheunenwand, Porträts, Stillleben, Ferkel. Für jeden ist was dabei. Albrecht Kunkel, der Wirt selbst malt sie. Von ihm stammt zum Beispiel der Entwurf für das braune Autobahnschild der Aschaffenburger Stiftsbasilika auf der A3.

 

 

 

 

Vor vielen Jahren, so erzählt er mir, fiel ihm die Scheune in einem erbärmlichen Zustand zu. Er wollte sie zusammen mit einem Freund zu einer Töpfer- oder Künstlerstätte machen. Der Freund fand aber, dass es besser sei, erst einmal eine Gastronomie daraus zu machen und ordentlich Geld zu verdienen. Dann wollten sie die Gäste rausschmeißen und nur noch Künstler reinlassen. Tja, der Compagnon stieg nach zwei Jahren aus, und Albrecht Kunkel kocht und malt weiter und wartet immer noch auf das große Gastronomiegeld.

Aber ich glaube, er ihm geht es gut mit seiner Woischaiän, denn in ihrer Ausstattung steckt so viel liebevolles Engagement, wie es Menschen nur entwickeln können, wenn ihnen etwas am Herzen liegt.

 

 


Infos:

Beschreibung der Wanderroute: Parkplatz Echterspfahl (B8 zwischen Mespelbrunn und A3 Autobahnraststätte Spessart/Abfahrt Rohrbrunn) - Zeugplatte - Eselshöhe - Dürrenberg/Waldkapelle - Unterschnorrhof - Dammbachtal nordwärts - Essiggrund - Parkplatz Echterspfahl

Naturpark Spessart

Mehr über die Kulturwanderwege im Spessart: 

Mehr über den Echterspfahl

Die Woischaiän in Mespelbrunn

Mehr über den Eselsweg im Spessart

 

Bei Mespelbrunn war ich im Oktober 2011.