Spannende Ostern!

Osterprozessionen in Caceres

 

Ich bin ja gespannt wie Vogeleltern vorm Schlüpfen ihres Kükens! Aufgeregt hocke ich auf einem Festersims in einem Sträßchen inmitten von Caceres. Vor und neben mir steht eine Menge von euch Zweibeinern. Die Stehenden drängen sich an die Häuserwände, die Mitte der Gasse bleibt frei für die Menschen, die umherziehen. Man redet, palavert, hantiert mit dem Mobiltelefon. Alles in allem hallt die Gasse ordentlich wieder von der Fröhlichkeit der Menschen.

 

 

 

 

Es ist offensichtlich: Man wartet. Ich auch. Was ist los? Es ist der Dienstag vor Ostern, also ein Tag mitten in der Semana Santa in Caceres. Bald soll hier eine Osterprozession vorbeikommen, ein verbreiteter Brauch der spanischen Karwoche. Caceres ist bekannt für seine überbordende Vielzahl ebendieser Umzüge.

Flugs wird die Straße desinfiziert von einem städtischen Reinigungstrupp, der das freie Pflaster zwischen den feiertagslaunigen Menschen und dem Reiseraben besprüht. Bald darauf schreitet eine Handvoll Polizisten die Strecke ab und sorgt dafür, dass die Wartenden sich noch weiter an die Hausfassaden zurückziehen. Es wird eng.

 

 

 

 

Da! Die ersten Weißgewandeten biegen um die Kurve! Schlagartig wird die schnatternde Menschenmenge still – ganz still. Kein Mucks ist zu hören, während sich die Träger der Insignien gemessenen Schrittes langsam nähern. Selbst ich könnte eine Vogelfeder fallen hören, wenn es denn eine tun würde.

 

 

 

 

Doch nach einer Weile dringt ganz verhallt und vage ein Geräusch an mein Ohr. Ich kann es kaum ausmachen und habe keine Ahnung, was das sein mag. Nur langsam wird das metallische Geräusch lauter und stellt sich als eine Art kurzes, helles Rasseln mit Pausen heraus. Und dann sehe ich es:

 

 

 

 

Das sind die Füße eines Kreuz tragenden Büßers. Gebeugt schlurft er über das Pflaster. Die Kette rasselt und zwischen seinen Schritten schlägt jemand zwei kurze Holzlatten zusammen. Rundherum immer noch Stille – quasi eine Totenstille. Mitten am hellichten Tag macht sich etwas durchaus Gespenstisches in der kleinen Gasse breit.

Bis eine verstärkte Stimme von oben über uns herniedergeht, die immer wieder gewichtige Pausen in ihre Sätze einflicht. Wird jetzt das Leiden Jesu am Kreuzigungstag erzählt? Ich weiß es nicht, schließlich verstehe ich kein Spanisch. Ich schaue in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und sehe – einen Mann, der auf einem Balkon steht und lautstark telefoniert. Ein mehrfaches „Pscht“ aus dem Publikum bringt ihn letztendlich zur Ruhe.

 

 

 

 

Immer wieder bleibt die Prozession stehen, denn die Träger der großen und irre schweren Plattform mit der Jesusfigur müssen sich ausruhen. Manchmal wechseln sie sich ab.

Die Figur bildet den krönenden Abschluss des etwa 20-minütigen Umzuges und noch bevor sie außer Sicht ist, stimmt die Menge ihren Palaver wieder an, strömt in die Gassenmitte und der ganze Spuk ist vorbei.

 

 

 

 

Vier solcher Prozessionen habe ich an meinem Aus-Flug nach Caceres gesehen. In den meisten Dingen sind sie sich sehr ähnlich, aber es gibt doch den einen oder anderen Unterschied. Die Figurenträger müssen im Gleichschritt laufen, damit das altarartige Gebilde auf ihren Schulten nicht ins Straucheln gerät. Manchmal haben sie Metall- oder Holzstöcke in der freien Hand, mit denen sie sich abstützen. Dazu rammen sie sie fest auf den Boden und das einhellige intensive Klacken hat etwas geradezu Anklagendes.

 

 

 

 

Die Zuschauer verfallen zu Beginn der Prozession immer in Schweigen. Trotzdem sich nicht alle Umzüge still, denn manchmal gibt es auch eine begleitende Musikkapelle. Blechbläsern intonieren eine wehklagende Melodie aus spannungsgeladenen Harmonien. Trommeln unterstreichen die Eindringlichkeit mit treibenden Rhythmen.

 

 

 

 

Ein ganz besonderer Höhepunkt in Caceres ist die Prozession des Cristo Negro. Dafür ist die Stadt überregional bekannt. Sie beginnt um Mitternacht und verläuft nur in den mittelalterlichen Gassen der spartanisch beleuchteten Altstadt. Es herrscht wieder atemlose Stille und nur das Schlagen einer Holzklappe zerreißt sie regelmäßig.

Alle Mitlaufenden sind in schwarze Kutten gekleidet. Die großen Kapuzen haben sie tief ins Gesicht gezogen und das spärliche Licht der Fackeln, die sie tragen, machen es unmöglich, sie zu erkennen. Sie wirken wie schwarze Gespenster.

 

 

 

 

Alles in allem sind die Osterprozessionen von Caceres eine wirklich eindrucksvolle Sache, die ich euch wärmstens ans Herz lege zu besuchen. Aber die des Cristo Negro ist der absolute Höhepunkt. Ich finde mich nur schwer wieder die hiesige Nachtwelt der Stadt zurück und flattere still auf meinen Schlafplatz zurück. Euch Menschen geht es wohl ähnlich, denn dieses Mal bleibt die Ruhe nach dem Passieren des Cristo Negro in der heimwärts ziehenden Menge erhalten.

 

 


Infos:

 

In der Extremadura war ich im April 2023.