"Ach, ist der süüüüß!"

Wiens Süßspeisen

 

Die Wiener, oder die Österreicher im Allgemeinen, sind echte Zuckergoscherln. Was man hier alles aus Eiern, Zucker und Mehl zur Freude des Gaumens produziert, ist bemerkenswert. Topfenstrudel, Palatschinken, Kaiserschmarrn, Apfelstrudel, Sachertorte, Salzburger Nockerln, Germknödel seien genannt. Wahrscheinlich ist die bestehende Süßkultur in seiner Gänze so unübersichtlich wie die Kaffeenamenkultur des Landes. Österreich ist kein Land für Diabetiker.

 

 

 

 

Und Süßspeisen sind hier durchaus eine ernste Angelegenheit. In den fünfziger Jahren gab es ein Gerichtsverfahren zwischen den Stammhäusern der Sachertorte, dem Kaffeehaus Demel und dem Hotel Sacher, ob die wahre Sachertorte mit einer oder zwei Schichten Marillenmarmelade gemacht werden darf. Nach jahrelangem Rechtsstreit inklusive dem Auftritt seltsamer Zeugen, kam es zu einer außergerichtlichen Einigung. Um den Kaiserschmarrn dagegen ranken sich nicht endende philosophische Diskussionen, ob er nun mit oder ohne Rosinen zubereitet werden muss.

 

 

Kronleuchter im Café Demel
Kronleuchter im Café Demel

 

 

Wer seine Süßspeisen so ernst nimmt, dem liegen sie wirklich am Herzen. Auf seine süße Leckereien lässt halt der Österreicher nichts kommen, außer Schlagobers natürlich. Oder vielleicht Puderzucker. Der Hang zum Süßen liegt dieser Bevölkerung wahrscheinlich im Blut, ja ist vielleicht auch genetisch verankert, denn nur mit besonderen physiologischen Eigenschaften ist es vielleicht auch zu erklären, warum der Österreicher Speisenkarten mit seitenlangen Aufzählungen von Süßem hervorbringt, ohne dass er das übergewichtigste Volk der europäischen Union ist. Vielleicht liest man hier auch einfach nur gerne die Namen und Beschreibungen seiner Süßspeisen, isst sie aber nie. Oder das Geheimnis liegt in ungezählten Laufrunden um den Park Schönbrunn. Oder speziell der Wiener hat tatsächlich ein Gen zum besonderen Abbau von Kuchen, Pralinen oder Pfannkuchenvariationen, welches bisher unentdeckt blieb. Vielleicht hat hier der schwere Zungenschlag des Wiener Dialekts seinen Ursprung: Wie soll man da noch „schnöll“ reden können, wenn die Zunge stets zuckerverklebt am Gaumen haftet.

 

 

Nach vier Tagen in Wien
Nach vier Tagen in Wien

 

 

Auf jeden Fall müssen beim Besuch zwingend Torten, Mozartkugeln, Schmarrn und Apfelstrudel auf dem Programm stehen. Denn nur so kann man dem Wiener direkt ans Herz fassen, direkt in den Topfenstrudel.

 

 


Infos:

In Wien war ich im Juni und August 2011 sowie im Oktober 2019. Diese Reportage ist von 2011, stimmt aber immer noch.