So wohnen die Menschen

Zwei Leben

 

Ich hatte das große Glück und durfte ein paar Tage in einem Dorf am Südhang der Karpaten leben. Ich wohnte im Haus von Gigi und Andra, einem unfassbar gastfreundlichen und netten Paar um die 60, und kam durch ihre Referenz ganz leicht mit den Dorfbewohnern in Kontakt. Zwei von ihnen leben so typisch oder interessant, dass ich ihre Lebensweise kurz für euch porträtieren möchte.

 

 


 

Gigis Tante

Ich besuchte eine wirklich alte Frau. Wie in Rumänien üblich, tranken wir erst einmal selbst angesetzten Waldfruchtschnaps.

 

 

Egal, wer ihn angesetzt oder gebrannt hat: Die Schnäpse waren immer gut.
Egal, wer ihn angesetzt oder gebrannt hat: Die Schnäpse waren immer gut.

 

 

Sie war über achtzig und lebte schon etwa fünfzig Jahre auf einem typisch ländlich-rumänischen Anwesen. Dies ist die Vorderseite mit der Eingangstür und ihr seht eine Menge typische Gestaltungselemente: Die einfach verglaste Fensterfront mit der Spitzengardine, die aufwändig geformten Holzschindeln, die grüne Farbe.

 

 

 

 

Sie hat mich sogar von sich aus eingeladen, ins Haus zu schauen. Ich hatte mich gar nicht getraut zu fragen, aber natürlich hatte ich insgeheim genau diesen Wunsch!

 

 

 

 

Obwohl sie schon viele Jahre allein lebt, bewirtschaftet sie ihr Besitztum weiter, wenn auch nicht mehr ganz so umfangreich wie früher. Viele jüngere Menschen im Dorf tun dies noch. Kräuter, Kürbisse, Tomaten und anderes Gemüse zieht sie in einem foliengedeckten Gewächshaus und in einem Nutzgarten. Über ihrer Terrasse bildet ein 25 Jahre alter Weinstock ein dichtes Blätterdach mit einladendem Schatten. Natürlich trägt er üppig Trauben. In einem eigenen kleinen Schuppen hat sie den Brotofen untergebracht, der benutzt aussieht. In einem Wirtschaftsgebäude gibt es oben einen Heuboden, ganz links ist der Hühnerstall, daneben der frühere Schweine- und Pferdestall und ganz rechts die angebaute Hundehütte. Der Hund bellte sich übrigens die gesamte halbe Stunde meines Besuches die Seele aus dem Leib. Ich erwartete, dass er jeden Moment einen Herzschlag bekommen und tot umfallen würde. Tat er nicht. Rechts neben den Stallungen gibt es ein Freigehege für die Hühner. Diese treten abends freiwillig und unaufgefordert den Weg in ihren Stall zum Nächtigen an, erzählte die alte Bäuerin. Nachdem ich mich mit zwei weiteren Waldfruchtschnäpsen von der netten Frau verabschiedet hatte, überflog ich ihre direkt anschließende Streuobstwiese. Am Zaun krächzte ich noch einmal laut zum Abschied und ich hoffte, sie würde es noch hören, denn die Wiese war ganz schön groß.

 

 


 

Der Schäfer Vasile

 

 

Anderntags machte ich einen Aus-Flug zu einem auf einer Alm lebenden Schäfer, der Käse herstellt. Seine Alm war eher eine große Lichtung im Wald, 500 Höhenmeter über dem Dorf gelegen. Mit seiner Frau und einem Knecht zusammen verrichtete er die anfallende Arbeit. Eigentlich bräuchte es noch einen Helfer mehr, erzählte er, aber niemand erklärte sich bereit, für das wenige Geld, das er bieten kann, ein solch einfaches und hartes Leben in Kauf zu nehmen. Nur selten verließ er seine Tiere und dann auch nur, um seinen reifen Käse im Dorf zu verkaufen und andere Lebensmittel einzukaufen. Er sah aus wie mindestens 50. Seine zwei Kinder waren etwa 10 und 15 Jahre alt und lebten im Dorf bei einer nahen Verwandten.

 

 

 

 

Ich erreichte die Alm mit meinem Gastgeber und einem seiner Freunde aus dem Dorf und dessen Pferdewagen. Die beiden hatten mich zu der Fahrt eingeladen. Als wir ankamen, gab es ein großes Hallo, in erster Linie von den etwa 15 Wach- und Hütehunden, die ihren Job wirklich sehr ernst nahmen und uns wütend umzingelten und anbellten. Wenn ich vor den Biestern nicht so einen Heidenrespekt gehabt hätte und ein besserer Flieger gewesen wäre, hätte ich nicht übel Lust gehabt, ihnen ein paar Mal ganz dicht um die Nase zu flattern. Erst der Stock und ein paar Brüller der Schäfersfrau brachten sie dazu, sich zu trollen.

 

 

Sieht eigentlich ganz harmlos aus.
Sieht eigentlich ganz harmlos aus.

 

 

Sicherheitshalber hielten wir uns ganz dicht an der wirklich bescheidenen Hütte. Kaum betraten wir die leere Fläche vor ihrer Behausung, fingen die drei Gastgeber an, einen kleinen niedrigen Tisch aus dem Häuschen zu tragen und abzuwischen, eine grobe Plastikfolie als Tischdecke darauf zu legen und Käse samt Brot, Tomaten, Paprika und Besteck zu servieren. Natürlich gab es den obligatorischen Schnaps, hier trank man ihn allerdings aus kleinen Wassergläsern bzw. der Schäfer selbst aus einer roten Plastiktasse. Innerhalb einer halben Stunde hatte er vier Stück davon getrunken, was den ansonsten eher introvertierten Mann zur Flöte greifen ließ, um uns ein stimmungsvolles Ständchen zu bringen. Ich hingegen machte es wie immer: Ich schob einfach genug Brot, Käse und Gemüse hinterher. Schließlich liegen meine Stärken eher beim Allesfressen, denn beim Allestrinken.

 

 

 

 

Nachdem wir uns alle gemeinsam den Bauch vollgeschlagen und den Kopf vollgetrunken hatten, bekam ich eine kleine Führung über das Gelände. Die Frau winkte mir zu, ihr zu folgen, schnappte sich einen Stock und stiefelte los. Ich flatterte hinterher. Die ganze Zeit, in der wir in der Nähe der Hütte gepicknickt hatten, gab die Hundemeute Ruhe. Bis auf das Nesthäkchen unter ihnen wagte sich keiner in den Bannkreis des Häuschens. Sobald wir aber ebendiesen verlassen hatten, stürzten sich sofort zwei Hunde auf uns und die Frau konnte sie wiederum nur mit Hilfe des Stockes und Gebrüll vertreiben.

 

 

 

 

Der Rundgang endete quasi mit einer Showeinlage, denn das Ehepaar fing an, die Schafe zu melken, die ihnen der Knecht aus dem Gehege zutrieb. Das nahm seine Zeit in Anspruch und leider mussten wir die drei mitten während ihrer Arbeit verlassen und den steilen Weg bergab mit dem Pferdewagen antreten.

 

 

Na, endlich sind die weg. Haben meine ganzen Körner zertrampelt.
Na, endlich sind die weg. Haben meine ganzen Körner zertrampelt.

Infos:

 

In Rumäniens Süden war ich im August 2016.