Nur fliegen ist schöner!

Bambuszug

 

 

Langsam rollt mein fahrbarer Untersatz auf den schmalen Geleisen, vorbei an den Wartenden am Rand. Neben ihnen liegen die Einzelteile IHRES fahrbaren Untersatzes. Danach halten wir an. Mein Fahrer hilft den Wartenden, ihr Fahrzeug wieder zusammenzubauen und dann geht´s für beide in entgegengesetzten Richtungen weiter. „Ernesto, was IST das? Wovon erzählst du?“, werdet ihr fragen.

Ich spreche von der Bambusbahn, einem alten, fast ausrangierten, weltweit einzigartigen Fortbewegungsmittel der Khmer. Sie besticht durch ihre Einfachheit:

 

 

 

 

Es gibt sie nur in der direkten Umgebung von Battambang, in einem zaunkönigkleinen Ort namens O´Dambong. Früher benutzten die Khmer sie für Transporte aller Art: Reisbauern wurden zu ihren Feldern gefahren, Frauen mit ihren Waren zum Markt, der Arzt zum Patienten. Heute ist sie eine Attraktion für Reisende und der beste Beweis dafür, dass der Tourismus alte, eigentlich überholte Traditionen erhält.

 

 

Während der vielen Aufbauarbeiten kann ich prima fotografieren.
Während der vielen Aufbauarbeiten kann ich prima fotografieren.

 

 

Der Bambuszug hat noch ein Kuriosum: Die Strecke ist eingleisig und immer wenn sich zwei Waggons entgegenkommen, dann spielt sich die eingangs beschriebene Szene ab: Ein Zug wird abgebaut, der andere fährt vorbei und der Fahrer hilft dem ersten, dessen Bahn wieder zusammenzubauen. Das ist zwar nicht kompliziert, aber anstrengend, weil die Plattform doch straußenschwer ist. Als ich die Bahn nutze, ist es Abend. Mein Fahrer ist bestimmt an die sechzig und wir haben regen Gegenverkehr. Auf der ca. 6 km langen Strecke muss er bestimmt zehnmal anhalten und zusammenbauen helfen. So eine Fahrt hatte er heute schon einmal, sagt er, ihm täten die Knochen weh und er ist schwer am Fluchen. Ungerührt dessen lachen die anderen Fahrer schon lauthals, wenn sie erkennen, wer ihnen da entgegenkommt. Ich bin ein bisschen hin und her gerissen zwischen… ja, zwischen Mitleid mit ihm und Mitamüsieren mit den anderen. Aber Kambodschaner lachen so ansteckend, dass ich auch nicht anders kann: Ich muss einfach mitlachen. Am Ende der Fahrt bekommt mein Fahrer dafür ein dickes Trinkgeld.

 

 

 

 

Auf jeden Fall aber genieße ich die Strecken, auf denen der Zug mit satten 15 km/h direkt durch die Landschaft düst, mal dicht an Büschen und Hecken vorbei, mal mit freier Sicht auf den prächtigen knallroten Sonnenuntergang. Der Wind zaust meinen Flokati und kühlt mich herrlich! Es fühlt sich an wie fliegen! Solltet ihr also schon immer wissen wollen, wie sich fliegen anfühlt: Fahrt Bambuszug!

 

 


Infos:

 

In Kambodscha war ich zum Jahreswechsel 2015/16.