Ja, so ist das, wenn man im Winter in den Bergen unterwegs ist. Mal gibt´s Sonne, mal gibt´s Regen, Sturm oder sogar Schnee. Alle vier Wetter hatte ich in meinen sechs Tagen in Grindelwald.
Am ersten Tag schien die Sonne und es lag ein wenig Schnee. Für einen Bus war es aber schon zu viel, denn der saß auf halbem „Aufstieg“ zur Großen Scheidegg irgendwie fest. Die Insassen hatten offensichtlich die Wahl zwischen warten, runterschlitteln und mit dem nächsten Bus ihr Glück versuchen oder den Rest selbst hochlaufen. Da haben sich doch tatsächlich welche auf den Weg nach oben gemacht.
Am zweiten Tag schien zwar die Sonne, aber es war ziemlich windig. Fliegen ging nicht, weil in den Bergen schon mit ein bisschen Wind das Steuern sehr schwierig wird. Also fuhr ich mit der Zahnradbahn auf die Kleine Scheidegg und spazierte von dort zur Wengernalp. Toller Blick ins Tal und auf Eiger, Mönch und Jungfrau, das müsst ihr unbedingt machen, wenn ihr da seid! Ihr könnt auch bis Wengen weitergehen, das ist eher eine Menschendistanz, glaube ich.
Das Problem war nur: Es wurde immer windiger. Es zog schon ziemlich kalt am Kopf. Schnee fegte über mich hinweg. Ich stapfte weiter. Bald stieß selbst mein Flokati an seine Grenzen und es zog mir sogar unter den Flügeln. Bei einzelnen Böen musste ich mich schnell hinhocken, damit ich nicht umgeweht wurde. Kurz danach flogen mir kleine Eisbröckchen ins Gesicht. Aua! Langsam kam ich mir vor wie ein Pinguin in der Antarktis. Doch leider war ich allein und musste mich zum Schluss bei besonders starken Böen ganz flach in den Schnee werfen, um nicht doch unfreiwillig abzuheben. Ich bekam es schon ein bisschen mit der Angst zu tun. Aber ich dachte an die tapferen Pinguine und kämpfte mich weiter durch bis zur Wengernalp.
In der Wengernalp wollte ich eigentlich gemütlich einkehren, aber es ging das Gerücht um, dass der Bahnverkehr zurück zur Kleinen Scheidegg wegen des Sturms bald eingestellt werden könnte. Also kletterte ich sicherheitshalber in die nächste Bahn. An der Kleinen Scheidegg konnte ich ja immer noch einkehren. Und –was soll ich sagen- das musste ich sogar, denn der Bahnverkehr wurde wegen des Windes dort tatsächlich eingestellt. Und zwar komplett, also auch zurück nach Grindelwald! Au weia, es ist Heilig Abend und ich sitze auf der Kleinen Scheidegg fest mit ungefähr 241 knallbunt gekleideten Skifahrern, drei Mal so vielen fotografierenden Asiaten und 16 plärrenden Kindern. Schöne Bescherung!
Eine freundliche Schweizerin klärte mich allerdings auf: Wenn der Wind auch nur ein bisschen nachließe, würde „abevakuiert“. Dann werden so viele Züge auf einmal hochgeschickt, wie für alle Festsitzenden benötigt werden und erfahrungsgemäß sei das bald so weit. „Bald“ heißt auf deutsch: Nach knapp zwei Stunden. So war ich dann gerade noch rechtzeitig im Tal, um mir mein Weihnachtsmenü servieren zu lassen.
Am dritten Tag regnete es und ich fuhr nach Bern.
Am vierten Tag schneite es die ganze Zeit. Also kaufte ich mir eine Dauerkarte für alle umliegenden Verkehrsmittel verbrachte den Tag in Seilbahngondeln und Zahnradbahnen: Auf den First und sofort wieder hinunter; über die Kleine Scheidegg nach Wengen zum Nachmittagskaffee samt kurzem Bummeln und zurück. Damit war der Tag schon rum. Das Tolle daran war: Am Abend lagen sage und schreibe 50 cm Neuschnee! Was für eine Verheißung für den nächsten Tag!
Mit dem vielen Neuschnee kam auch das schöne Wetter und so waren der fünfte und der sechste Tag perfekt um die Aussicht von verschiedenen Bergen aus zu genießen. Natürlich war ich auf dem Jungfraujoch und bewunderte stundenlang den Aletschgletscher. Zieht euch bloß warm an, denn den Blick nach Norden müsst ihr euch auf jeden Fall auch anschauen, aber von dort zieht es gewaltig. Ein Schwarm Dohlen wohnt da oben und wir haben einen tollen Nachmittag zusammen verbracht.
Aber mein absoluter Lieblingsplatz ist der Gipfel vom Männlichen. Von der Bergstation aus ist es nicht mehr weit. Ich habe gesehen, dass ein Weg hochführt und ich glaube, ihr könnt ihn ganz gut in ein einer halben Stunde laufen. Auch wenn es länger dauern sollte: Das lohnt sich! Schaut selbst:
Schlitteln musste ich natürlich auch unbedingt. Das wollte ich schon immer mal ausprobieren und hier kann man sich diese Dinger oben leihen, runterschlitteln und unten abgeben. Tolle Sache! Wieder kam ich mir vor wie ein Pinguin, die schlitteln halt auf dem Bauch. Aber eine ziemlich nasse Angelegenheit ist das. Der Schnee stiebt mir von vorne ins Gesicht. Manchmal sehe ich gar nichts und muss blind weiterschlitteln. Aber das macht nichts, denn die Bahn ist schmal und mit Schneedämmen begrenzt. Wenn ich also von der Bahn abkomme, werde ich automatisch ziemlich abrupt gebremst, was dazu führt, dass ich kopfüber in den Schnee purzele. Es geht halt den Raben wie den Menschen. Schnee erst von vorne, nun noch von oben und von unten auch noch, vom Sitz. Am Ende war mein Flokati also patschnass und mir kalt. Also: Wenn ihr schlitteln wollt, nehmt einen Taucheranzug mit in den Winterurlaub. Das mutet zwar vielleicht komisch an, aber es hilft bestimmt.
Also, ich muss sagen: Schnee ist eine tolle Sache! Alles sieht so … so, na schön aus wie ein Glanzstar. Und egal, ob schlitteln, Windwandern, Bahn fahren oder spazieren fliegen, alles hat möwenmäßig Spaß gemacht. Die armen Zugvögel, die im Winter nach Afrika fliegen müssen, die verpassen was.
Infos:
In Grindelwald war ich im Dezember 2013.