Einkehren wie zu Großmutters Zeiten

Gasthaus am Hößgang (Strudengau)

 

 

„Guten Tag, die Herrschaften. Seien Sie herzlich willkommen in unserem Gasthaus“. Den freundlichen alten Mann sah ich nur durch die Scheibe der aufgeklappten Haustür, denn direkt hinter dieser saß er auf einer schmalen Holzbank. Er hatte lustige grauweiße Locken, die ein bisschen wirr um seinen Kopf herum standen. Auf der Nase trug er eine große, runde Nickelbrille. Durch die schauten mich seine offen blickenden Augen an. Er schien den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als hier zu sitzen und auf Gäste zu warten, um sie zu begrüßen. „Die Herrschaften“ hatte er gesagt? Erwartete er noch jemanden? Ich schaute mich um. Keiner da. Egal.

Ich flatterte weiter. An der Küche vorbei. Die obersten 20 cm der Tür waren abgeteilt vom Rest und standen offen. Für die Belüftung der Küche und zum Kasperletheaterspielen für die vier Enkel, wie mir mein Gastgeber erklärte.

 

 

 

 

Ich flatterte weiter. In die Gaststube. Es roch nach altem Gemäuer. Schwere urige Tische und Stühle aus dunklem Holz waren im Raum aufgestellt. Auf der einen Seite stand eine ritterartig lange Tafel mit hohen…, äh - Sitzmöbeln. Ich hockte mich auf der bewucherten Terrasse auf einen etwas verwitterten Tisch und fühlte mich wohl wie auf einem Baum. Es wackelte sogar ein bisschen! Der nette Herr von der Tür war mir gefolgt und präsentierte mir ein liebevoll handgeschriebenes Blatt in so einer durchsichtigen Hülle: Die Speisekarte. Es gab schöne einfache Alltagsgerichte wie „Nudeln mit Tomatensoße“ und „Kleiner Salat“. Die Nudeln wurden portionsweise frisch gekocht, ebenso die Soße, die Salatzutaten extra geschnippelt, genau in der richtigen Menge für mich. Serviert wurden sie mir zusammen mit ein bisschen Lebensphilosophie. Zum Leben brauche er nicht viel, berichtete mir der gute Mann. Schließlich komme es nicht auf eine goldene Nase an, sondern darauf, gewisse Werte zu leben, z. B. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Ein Satz blieb mir besonders in Erinnerung, weil ich den so schön und treffend fand: „Ich muss nicht mehr viel.“ Geht mir ganz genau so: Je älter ich werde, desto häufiger lasse ich Dinge weg mit dem Gedanken: „Ich muss das nicht tun.“

 

 

 

 

Zum Nachtisch gab es etwas Gasthausgeschichte. 2005: Das Haus steht seit 15 Jahren leer und verfällt vor sich hin. Bernhard Fischer, mein liebenswerter Gastgeber, kennt das Gemäuer und bedauert dessen Verfall sehr. Eines Tages führt ihn eine Bekannte durch das Haus und es kommt, wie es kommen musste: Er kauft es, renoviert es drei Jahre lang in Eigenarbeit mit einem kundigen Freund. Schließlich sind sie fertig und er muss etwas anfangen mit dem frisch herausgeputzten Schmuckstück. Weil es so groß ist und seit dreihundert Jahren schon immer ein Gasthaus war, wahrt Bernhard Fischer die Tradition. Er macht ein Gasthaus daraus und wird Wirt.

 

 

 

 

Ich will weiterziehen. Zum Abschied bietet er mir seine Biomüllreste als Reiseproviant an. Schließlich sei ich doch ein Rabenvogel und damit ein Allesfresser. Stimmt, aber ich fürchte, ich bin schon ein bisschen schnäubisch geworden als enger Kulturfolger. Letztendlich macht er das, was er immer mit dem Biomüll macht: Er bringt ihn auf einen dicken Stein am nahe gelegenen Donau-Ufer und überlässt ihnen den – Rabenvögeln.

 

 

Ganz rechts oberhalb der Mauer, das ist die Terrasse.
Ganz rechts oberhalb der Mauer, das ist die Terrasse.

Infos:


Hier informiert das Gasthaus über sich selbst.


An der Donau war ich im August 2015.