Ich fall´ vom Glauben ab! - Von welchem?

Glaube

 

Vorherrschender Glaube in Myanmar ist der Buddhismus. Über den möchte ich hier nicht referieren. Das könnt ihr bei anderen Schreiberlingen nachlesen und das unter Garantie besser. Einige haben bestimmt richtig Ahnung davon. Aber der Buddhismus ist in diesem schönen Land allgegenwärtig. Man begegnet ihm auf Schritt und Tritt. Und deshalb habe ich mir natürlich schon den einen oder anderen Gedanken gemacht - speziell über diese Glaubensrichtung oder Glauben und Religion an sich.

 

 

 

 

Ein wichtiger Aspekt des buddhistischen Lebens ist es, sein Karma zu verbessern um sich bei der Wiedergeburt dem Nirwana wieder ein Stück mehr anzunähern. Salopp gesagt: Es geht darum Karmapunkte zu sammeln. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, sein Karma zu verbessern. Eine davon ist, zu spenden: Gebetshäuser, Goldtafeln oder Figuren für Tempelbezirke und Buddhafiguren, die in der Landschaft herumstehen, -sitzen oder -liegen. Das ist natürlich nur etwas für Reiche. WIE reich diese Leute sind, sieht man teilweise an der absurden Größe oder Menge der Figuren. Die weniger betuchten Gläubigen kaufen ein Blättchen Blattgold und kleben es auf eine Buddhafigur im Tempel. Da klebt aber im Laufe der Jahre auch schon so viel Gold drauf, dass sie manchmal etwas aus der Form geraten. Das hier sind alles Privatspenden von gläubigen Buddhisten.

 

 

 

 

Die Goldtafeln, die Gläubige am Tempelfest der hochverehrten Shwedagon-Pagode in Yangon spenden können, kosten zwischen 600 und 1000€! Etwa alle 10 bis 15 Minuten fuhr der kleine Wagen am Flaschenzug wieder zu Spitze der Pagode und das bedeutete: Es sind wieder sechs Tafeln beisammen. Macht in der Stunde ca. 25 Tafeln à 600€… äh… sind dann 1500€ in 60 Minuten! Und da habe ich noch großzügig abgerundet!

 

 

 

 

Gute Güte! Wie viel Geld könnte man flüssig machen, wenn man all dieses Gold abkratzen und verkaufen würde! Wie viel Leid könnte mit diesem Geld weltweit gelindert werden! Wenn man dann noch die anderen Vermögen, die die Menschen auf der ganzen Welt für ihren Glauben ausgeben, ebenfalls dafür verwenden würde… Wäre das nicht viel gläubiger und nächstenliebender und damit viel mehr im Sinne der Religionsstifter?

 

 

 

 

Andererseits: Einen riesentrappengroßen Teil menschlicher Kultur gäbe es gar nicht ohne Glauben: Kathedralen, Ikonen, Moscheen, ungezählte Skulpturen und Gemälde, vielleicht auch Stonehenge und die Steinköpfe der Osterinseln, von den Pyramiden von Gizeh mal ganz zu schweigen. Und wer weiß - vielleicht stehen in ein paar hundert Jahren außergalaktische und terrestrische Touristen vor den ganzen liegenden, stehenden und sitzenden Buddhas im etwas abgeblätterten und stumpfen Goldgewand und bewundern die frühe Hochkultur des letzten Jahrtausendwechsels…

 

 

 

 

Andererseits sind die Myanmaren bezüglich des Glaubens ja auch irgendwie recht pragmatisch. Die junge Republik ist ein Vielvölkerstaat. In ihr leben unzählbar viele Völker, Ethnien und Glaubensrichtungen. Sie alle haben natürlich ihre eigenen Traditionen und Trachten, Feste und Feiertage. Die Myanmaren sind ja nun eine offene und tolerante Nation und deshalb sind bemerkenswert viele Festtage –auch die von Minderheiten- landesweit arbeitsfreie Tage. Somit kommen die pfiffigen Myanmaren auf ca. 30 Feiertage im Jahr. Weihnachten ist übrigens auch dabei.

 

 

 

 

Ebenfalls sehr verbreitet ist ein weit über 1000 Jahre alter animal… nee, animistischer Geisterglaube. Birmanische Geister heißen Nats. Dieser Glaube ist in der Bevölkerung sehr, sehr, sehr, sehr, sehr fest verankert. Ein berühmter König –Anawratha hieß er- versuchte um das Jahr 1000 herum den Menschen den Nat-Glauben auszutreiben und den Buddhismus zu etablieren. Das mit dem Buddhismus hat ja geklappt. Aber noch heute spielen parallel dazu die Nats und ihre Anbetung eine immens wichtige Rolle im alltäglichen Leben der Myanmaren. Überall entdeckte ich kleine Nat-Schreine am Straßenrand oder auf ländlichen Anwesen und an einer der heiligsten Stätte des Landes werden die Nats verehrt: Am Mount Popa, seit jeher die Heimat der Geister, die dem Menschen Gutes oder Böses tun können. Man muss sich halt mit ihnen gut stellen.

 

 

 

 

Schön finde ich auf jeden Fall, dass in Myanmar die verschiedensten Volksgruppen und Glaubensrichtungen nebeneinander existieren können, oftmals sogar in einem einzigen Menschen und dass dies meistens recht friedlich geschieht.

 


Infos:


In Myanmar war ich zum Jahreswechsel 2014/15.