"Huch!" Ich liege im sonnenbeschienen Gras und döse vor mich hin. Plötzlich macht sich ein Schatten über mir breit. Ich schlage die Augen auf und sehe das hier:
Ich reibe mir verwundert die Augen. Ist das nicht ein Lama? Aber ich bin doch in der Eifel – und nicht im fernen Südamerika. Oder träume ich noch? Ich zwicke mich mit dem Schnabel in meinen Plattfuß. Nö, ich bin eindeutig wach – und das Tier über mir ist in der Tat ein Lama. Ich gucke mich um:
Ihr Zweibeiner seid echt lustig. Ich finde die Sache mit den Hunden und der Leine schon merkwürdig, aber jetzt auch noch Lamas? Leben die auch in eurer Wohnung? Können Lamas Treppen laufen? Ist es ihnen in einer Wohnung nicht zu warm? Brauchen sie deshalb ein eigenes kühleres Zimmer? Fragen über Fragen schwirren mir durch den Kopf wie ein Starenschwarm. Neugierig flattere ich mit der originellen Karawane mit.
Gespannt beobachte ich den Trupp. In gemächlichem Tempo laufen Mensch und Tier durch die Schönecker Schweiz. Geredet wird kaum. Somit kann ich dem leisen, weichen Schritt der Lamas lauschen, wenn ich dicht hinter dem letzten herflattere. Ein Geschlendere wie beim Einkaufsbummel gibt es nicht. Entweder man geht oder man steht. Die Lamas folgen ihrem Menschen willig. Manchmal machen sie einen erschreckten Satz oder trauen sich nicht über eine kleine Brücke. Dann reden die Frauen und der Mann beruhigend zu ihnen oder ziehen kurz und entschlossen an der Leine. Schließlich macht "meine" Herde eine Pause und packt genüsslich ein Picknick aus.
Ich hocke mich zu ihnen und weil ich ihnen schon eine ganze Weile interessiert folge, schließen wir Freundschaft. ENDLICH kann ich meine vielen Fragen stellen!
Also: Die Lamas hier gehören alle Julietta (die auf dem rechten Foto) und sie leben ganz in der Nähe auf einer Weide mit einem offenen Stall. Julietta kümmert sich ganz liebevoll um sie und bietet Wandertouren mit ihnen an. Die anderen Leute sind ihre Gäste, die einen Lama-Wandertag gebucht haben. Und deshalb sind sie also alle hier in der Schönecker Schweiz unterwegs.
"Warum zum Kuckuck wandert ihr Zweibeiner mit Lamas?", frage ich. Sabine und Lucia erklären es mir. Sie teilen sich Bingo heute und wechseln sich beim Führen ab.
"Es ist so schön ruhig und entspannend", schwärmt Sabine. Die Lamas seien sehr ausgeglichene und freundliche Zeitgenossen. "So sehr, dass sich die Stimmung auf uns überträgt. Gleichzeitig ist es wichtig, ebenfalls Ruhe und Gelassenheit auszustahlen, wenn wir die Lamas führen. Wenn sich das eingependelt hat, dann folgen uns die Tiere ganz von alleine", ergänzt Lucia. "Beim Wandern haben wir also immer ein Ohr oder eine Antenne zum Lama hinter uns. Das bindet die Gedanken. Ich denke nicht an das große Weltgeschehen, nicht ans Arbeiten, nicht an mein kaputtes Auto, das in die Werkstatt muss. Ich denke nur an Bingo hinter mir und die schöne Landschaft um mich herum. Man ist einfach raus aus allem, sowohl körperlich als auch im Kopf. Das ist wie ein Miniurlaub" erklärt sie bereitwillig weiter.
Deshalb empfehlen die beiden, die Wanderung so lang wie möglich zu buchen, denn dann hat man gaaaaaanz lange etwas von der Vertrautheit, die man zum Lama anfangs aufbaut. "Manchmal stehen Bingo und ich uns ganz nah gegenüber und gucken uns einfach nur an. Das sind echt ganz besondere Momente."
Das wenige Reden verbreite eine angenehme Stille und man höre viel mehr Vogelgezwitscher, Wipfelrauschen im Wind, Blätterrascheln, Bachmurmeln und so – Waldgeräusche halt.
"Und das langsame Gehen finde ich toll! Wegen der Lamas können wir nicht alle paar Schritte stehenbleiben, Fotos machen und in der Gegend rumgucken. Aber weil wir langsam laufen, kriege ich trotzdem eine Menge mit. Wir haben schon Märzenbecher gesehen, massig Bärlauch, Küchenschellen und sogar Seidelbast – lauter Raritäten aus der Pflanzenwelt!"
Über dem vielen Reden ist die gemütliche Picknickpause so schnell vergangen wie ein Falke fliegen kann. Die Fut- nein, Essensdosen und Trinkflaschen werden wieder eingepackt und die wiederkäuenden Lamas losgebunden. Schon sind alle startklar.
Ich bin heute irgendwie etwas flügellahm. Aber ich bin hier nicht nur unter Lamafreunden, sondern auch für Reiseraben wird erstklassig gesorgt. Eben durfte ich schon Möhrchen und Nüsse knabbern und jetzt darf ich auch noch huckepack in Ernsts Rucksack weiter"wandern"! Toooooll, dann kann ich doch den Rest des Tages noch bei "meiner Herde" bleiben!
Und so komme ich gaaaaaanz zufällig zu einem gaaaaaanz besonderen Erlebnis mit gaaaaaanz besonderen Tieren, von denen ich bestimmt heute Nacht in meinem Nest noch träumen werde. Und ich träume ganz sicher auch von meinem neuen Lieblingswort, das ich heute gelernt habe: Neuweltkameliden. Klingt das nicht schön?
Infos:
Touren mit Juliettas Lamas kannst du hier buchen.
Lies hier weiter, wenn du wissen willst, wie die Lamas ihre Zeit auf der Weide verbringen.
Und wo ist die Schönecker Schweiz? Hier.
Und das ist übrigens die Homepage von Ernst. Die ist richtig lustig - hat genau meinen Humor! Davon hat er mir beim Huckepacktragen erzählt.
Ernesto, was um alles in der Welt sind Neuweltkameliden?
Neuweltkameliden gehören zur Kamelfamilie. Sie haben keine Höcker und leben und Südamerika, also der neuen Welt. Dazu gehören Guanakos und Vikunjas (beides Wildtiere) sowie die Lamas und Alpakas (Haustiere).
In der Schönecker Schweiz war ich im April 2021.