Ich hocke in einem einfachen Café mitten im Gebirge und genieße die obige Aussicht. Einfache Stühle, wahrscheinlich selbst gezimmerte Tische, lichtes Strohdach, am Nebentisch ho... sitzt ein Omani. Wie alle seine männlichen Artgenossen in Oman trägt er ein weißes, knöchellanges Gewand mit einem schlichten geraden Schnitt. Dischdaschi nennt man dieses traditionelle Kleidungsstück. Genauso traditionell ist es weiß – BLÜTENweiß. Nicht EIN Fleck ist zu sehen, nicht einmal ein Staubkörnchen, obwohl es in diesem Land so trocken und staubig ist. Das gilt nicht nur für meinen Cafénachbarn, sondern für alle Omanis.
Und der Duft ist auch wieder da. Dieser dezente, würzige Duft, in den ebenfalls jeder Omani gehüllt ist. Noch nie ist er mir auf meinen Reisen begegnet, aber hier habe ich ihn ständig in der Nase (so sagt ihr das, richtig?). Trotz der Hitze kein Schweißgeruch, stattdessen dieses wohlig-würzige Aroma. Wie machen die das bloß?
Der einzige Ort, an dem ich schmutzigen Dischdaschis begegnet bin, ist der Fischsouq in Sinaw. Hier werden ganze Fische aufgeschichtet, filettiert und in Tüten verpackt. Die Filettierer zum Beispiel handeln sich trotz geschickten Schneidens Flecken ein. Aber auch hier gilt: Man achtet bestmöglich auf optische Reinheit. Käufer heben das weiße Beinkleid an und lassen ein gemustertes Untergewand sehen, das dem fischigen Boden nahkommen darf. Die Männer, die den Boden reinigen, tragen Gummistiefel, kurze Hos...
Moment - da fällt mir noch etwas auf! Etwas, das ich hier schon oft gesehen, aber noch nicht richtig wahrgenommen habe, jedoch auf dem Fischsouq taucht es wieder auf: Ganz einfache Arbeiten werden NIEMALS von Omanis ausgeführt. Kein einziger einheimischer Mann würde als Tankwart arbeiten. Nie habe ich einen Omani im Supermarkt kassieren gesehen. Tätigkeiten ohne jegliche Eigenverantwortung wie das Bodenwischen überlassen sie anderen Zweibeinern.
Aber wer sind diese Menschen, die diese wichtigen Arbeiten verrichten? Im weiteren Verlauf der Reise frage ich nach und stelle fest: Es sind ausschließlich Männer, deren Heimat der indische Subkontinent ist, also Inder und Bangladeschis. Egal, wohin ich mein Augenmerk richte, egal, wo ich nachfrage: Diese Zweiteilung der omanischen Gesellschaft scheint sehr manifestiert zu sein. Das zeigt sich beispielsweise im abendlichen Korso in Sur.
So kann man natürlich leicht dafür sorgen, dass der Dischdaschi blitzweiß und der Duft erhalten bleiben. Aber allein das kann es doch nicht sein. Und wo kommt dieser Duft überhaupt her?
Die Auflösung erfahre ich, als mich eine ganz liebe, reiserabenfreundliche Familie zum Essen bei sich zu Hause einlädt. Neugierig, wie ich bin, muss ich sie einfach danach fragen und bereitwillig erzählen sie. Die Kleidung wird nach dem Waschen auf einem besonderen Gestell mit Weihrauch geräuchert. Damit die weißen Gewänder sich nicht verfärben, wird Buntwäsche darunter gelegt. Damit sie beim Tragen blütenrein bleiben, zieht Mann sich im Tagesverlauf durchaus mal um. Beim Flamingo! Kleine Gesten, große Wirkung.
Also, ihr merkt: Ich nehme die omanische Bevölkerung als sehr wohlgepflegte Leute wahr. Außerdem wirkten sie in den Gesprächen auf mich gebildet. Und ich halte sie für sehr feine, distinguierte Menschen, denn niemals habe ich erlebt, dass jemand von ihnen laut, ungeduldig oder gar rüpelig war.
Infos:
In Oman war ich im April 2024.